Angstformen
Drei unterschiedliche Angstformen
Die wenigsten Menschen gehen gerne zum Zahnarzt. Oder, anders herum formuliert: Die meisten Menschen haben Angst vorm Zahnarzt. Von dieser oberflächlichen Gemeinsamkeit abgesehen, unterscheiden sich die Formen und die Intensität der Ängste aber stark voneinander. Man kann im Wesentlichen von drei Angstformen sprechen:
- Die einfache Angst: Jeder kennt sie. Jeder hat sie. Die einfache Angst steckt uns gewissermaßen in den Genen, sie rührt von längst vergangenen Zeiten her. Meist tritt sie auf, wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt. Im Fall des Zahnarztbesuchs bekommen die meisten Menschen diese Angst gut in den Griff. Weil sie nicht lähmt, sondern bewusst beeinflussbar ist.
- Die Furcht: Furcht entsteht in der Regel, wenn wir nicht genau wissen, was uns erwartet. Im Zusammenhang mit dem Besuch bei Zahnarztbesuch kann sie daher schon ziemlich unangenehm sein. Beginnt erst einmal das „Kopfkino“ bezüglich der Frage, wie umfangreich und schmerzhaft die Behandlung wohl werden mag, kann aus der Furcht auch eine ernsthafte Angst werden. Dennoch können die meisten Menschen mit der Furcht (vorm Zahnarzt) relativ gut umgehen.
- Die Phobie: Sie bewegt sich auf einem völlig anderen Level als die beiden zuvor beschriebenen Ängste und ist praktisch vom Betroffenen nicht zu kontrollieren. Alleine der Gedanke an den Zahnarztbesuch, an die Gerüche und Geräusche in der Praxis, alleine die Vorstellung, den Mund auf dem Behandlungsstuhl zu öffnen, führt zu panischen Reaktionen, die sich nicht kontrollieren lassen. Menschen, die unter eine Zahnarztphobie leiden, scheuen den Weg in die Zahnarztpraxis so lange, bis die Alternative noch schlimmer ist. Wenn also starke Schmerzen durch Entzündungen oder ähnliches auftreten und der Patient faktisch keine andere Wahl mehr hat, geht er zum Zahnarzt, wenn auch unter einer unglaublichen Belastung.
Selbst wenn Menschen mit Zahnarztphobie in die Situation kommen, dem Zahnarztbesuch nicht mehr ausweichen zu können, bedeutet das übrigens nicht, dass damit ihr Problem aus der Welt wäre. Denn erstens kommt es zu diesen Besuchen oft beim Notfallzahnarzt, der nur das Nötigste tut, um die akuten Schmerzen zu behandeln. Weitere Zahnarztbesuche finden dann in den meisten aller Fällen wegen der starken Angst zunächst nicht statt. Und zweitens kann der durch die Behandlung temporär verschwundene Schmerz nicht dazu beitragen, dass der Patient nun plötzlich wieder „vernünftig“ handeln kann. Der Schmerz mag erst einmal weg sein, die Zahnarztphobie ist es nicht.
Erfahrungsberichte
Ein Mann erzählt, dass ihm im Jugendalter von seinem Zahnarzt verdächtig viele Zähne gezogen wurden. Andere Behandlungsoptionen schienen für den Zahnmediziner keine Option zu sein. Der Betroffene leidet noch heute unter starker Zahnarztangst.
Alexander könnte als klassischer Fall bezeichnet werden. Durch seine Zahnarztangst war er schon jahrelang nicht mehr in einer Praxis. Als er sich dann durchgerungen hat, hatte er das Glück, zu einem Zahnarzt zu kommen, der empathisch auf seine Ängste eingegangen ist und die Behandlung nicht überstürzt hat.
Jana hat bei ihrem Zahnarztbesuch gleich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Zum einen hat sie festgestellt, dass Lachgas seinen Namen nicht der Eigenschaft des Lachens zu verdanken hat. Die beruhigende Wirkung hat sich aber positiv auf die Behandlung ausgewirkt. Und zum anderen ist Jana der festen Überzeugung, dass selbst die besten Methoden wirkungslos sind, wenn der Zahnarzt unsensibel ist.
Bei Max war es sein 50. Geburtstag, der ihn die Entscheidung treffen ließ, nun allen Mut zusammen zu nehmen und einen Zahnarzt aufzusuchen. Belohnt wurde sein Mut nicht, zumindest zunächst nicht. Max musste die Erfahrung machen, dass nicht jede Praxis, die vorgibt, auf Dentalphobie spezialisiert zu sein, das auch wirklich ist. Letztlich fand er aber die Praxis, die mit ihm vorsichtig genug umgehen konnte.
Wenn es ein Vorzeigebeispiel für ein Kindheitstrauma gibt, dann ist Petra sicher die beste Wahl. Sie kannte bis zu ihrem 10. Lebensjahr überhaupt keine Angst vorm Zahnarzt und wurde dann von einem Zahnmediziner so plump behandelt, dass sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr ohne Panik eine Praxis aufsuchen konnte. Sie musste bis zum 40. Lebensjahr warten, bevor sie einen Zahnarzt fand, der einfühlsam mit ihr umging.
Daniel hat erkannt, dass seine Zahnarztangst erheblichen negativen Einfluss auf sein Leben nimmt. Bei ihm war es weniger die Angst als vielmehr die Scham, die ihm das Leben schwergemacht hat. Er traute sich kaum noch unter Leute, weil ihm seine Zähne peinlich waren. Nachdem er sich aufgerafft hatte, zu einem feinfühligen Zahnarzt zu gehen, hat er ein völlig neues Lebensgefühl.
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Nachrichten
Wer Patienten mit Dentalphobie verstehen will, muss sich zunächst von zahlreichen eigenen Einschätzungen und Einstellungen verabschieden. Denn die Wahrnehmung von Menschen mit Zahnarztangst ist eine andere. Wer das weiß, ist einen großen Schritt weiter – und wird die Spritze mit neuen Augen betrachten.
Der Zahnarztbesuch ist immer wieder so ein Thema. Während die eine Personengruppe sich auf den Behandlungsstuhl setzt, als würde sie in einem Kinosessel Platz nehmen, bekommt die andere schon Panik, wenn sie auch nur an den Geruch einer Praxis denkt. Eine russische Künstlerin möchte auf das Thema Zahnhygiene aufmerksam machen und hat dazu sehr eigenwillige Skulpturen entworfen.