Dentalphobie und der wissenschaftliche Hilfeansatz „FE“
Hilflose Helfer
Eigentlich ist relativ viel über die Ursprünge von Dentalphobie bekannt. Und im Grunde wissen viele Zahnärzte, dass traumatische Erlebnisse in der Kindheit eine wichtige Rolle spielen. Alleine der richtige Umgang mit Angstpatienten funktioniert häufig nicht. Schon im ersten Schritt scheitern Zahnärzte, nämlich beim Vorgespräch. Im diesem steht die Behandlung noch nicht im Vordergrund, es geht vorrangig darum, Zugang zum Patienten mit der Dentalphobie zu bekommen. Doch das kann nur gelingen, wenn dieser mit seiner Angst ernst genommen wird. Immer wieder versuchen Zahnärzte, durch Beschwichtigung und Verharmlosung das Problem „kleinzureden“. Ein fataler Fehler, denn für die Betroffenen löst das keineswegs das Angstverhalten, sondern fördert es noch. Zudem fühlen sie sich nicht ernst genommen und werden zum nächsten Termin nicht wieder erscheinen.
Geplantes Vorgehen und wirksame Methoden zur Hilfe
Alles steht und fällt mit dem Vorgespräch, so viel ist klar. Und auf diesem Gebiet haben sich Zahnärzte weiterentwickelt, haben sich Gesprächstechniken angeeignet, die auf Empathie und Feinfühligkeit fußen. Im nächsten Schritt kommt dann jedoch meist die Vollnarkose ins Spiel. Bei Patienten mit extremer Angst ist das nachvollziehbar, und die Patienten selbst reagieren darauf in aller Regel sehr offen. Kein Wunder, es herrscht das Gefühl vor, durch einen Tiefschlaf der Situation erfolgreich aus dem Weg gehen zu können.
Man muss dazu sagen, dass die Vollnarkose in der Tat oft die einzige Möglichkeit ist, mit Angstpatienten umzugehen. Sitzen die Ängste so tief und ist der Zustand der Zähne so schlecht, dass umfangreiche Behandlungen durchgeführt werden müssen, läuft es immer wieder auf die Vollnarkose hinaus. Doch andere Hilfsmittel sind in diesen Fällen meist nicht einmal zur Sprache gekommen. Das ist mehr als schade.
Therapeutische Maßnahmen gegen Dentalphobie
Neben einem erfolgreichen Erstgespräch, das die weitere Behandlung so gut vorbereitet, dass der Angstpatient sich der Situation weiter stellen will, ist ein großer Schritt getan. Doch es gibt Hilfsmittel, die die Angstsituation zusätzlich entschärfen können. Zum Beispiel der Einsatz von Psychopharmaka. Nun ist die Verwendung von Psychopharmaka nicht unumstritten, und in vielen Fällen durchaus zu Recht. Aber bestimmte Krankheitsbilder – und die Dentalphobie ist definitiv ein solches – kommen ohne den Einsatz von Medikamenten nicht aus. Natürlich müssen Dosierung und Art des Medikaments genau geprüft und aufeinander abgestimmt werden.
Weitere Methoden zur Bekämpfung der Angst sind die Hypnose, das Biofeedback (das auch bei Kindern mit Lernproblemen oder ADHS nachweisbare Erfolge erzielen konnte) und gesprächstherapeutische Angebote.
Funktionelle Entspannung (FE): Eine Methode, die bekannter sein sollte
Funktionelle Entspannung (FE) ist kaum bekannt. Sie funktioniert nur, wenn sich sowohl Patient als auch Zahnarzt auf die Methode einlassen. Für den Zahnarzt bedeutet das, sich mit Fort- und Weiterbildungen auf das Thema einzulassen und sich intensiv damit zu befassen, damit er den Patienten angemessen begleiten kann. Schwerpunktmäßig geht es letztlich darum, dass der Patient sich besser spürt, zum Beispiel durch das Erfühlen des Mundraums. Richtiges Ein- und Ausatmen gehören ebenso zu FE wie die erlernbare Fähigkeit, den Unterkiefer los- und fallenzulassen. Im Kern geht es einerseits um eine verbesserte Selbstwahrnehmung und andererseits um das Gefühl, die Kontrolle über eine Situation zu haben. Gerade dieser zweite Punkt gehört maßgeblich zur Arbeit mit Angstpatienten, denn die fehlende Kontrolle beginnt bereits beim Ausgeliefertsein durch das Liegen auf dem Behandlungsstuhl.
Versuche mit unterschiedlichen Teilnehmern, die mit und ohne FE in Behandlungssituationen geschickt wurden, ergaben ein deutlich reduziertes Angstverhalten bei den Personen, die eine Begleitung durch FE erfuhren.
Offen bleiben
Insbesondere für Zahnärzte, die sich vorgenommen haben, mit Dentalphobie-Patienten zu arbeiten, empfiehlt es sich, stets offen zu sein und es zu bleiben. Nicht jede Hilfe passt zum jeweiligen Zahnarzt (auch das ist ein wichtiger Punkt, der Zahnarzt muss sich ebenfalls mit dem gewählten Hilfsangebot wohlfühlen), so dass der eine vielleicht Hypnose oder Lachgas bevorzugt, während der andere auf Gesprächstherapien oder eben die Funktionale Entspannung setzt.
Im Sinne der Patienten heißt es also, sich umzusehen, nach Weiterbildungsmöglichkeiten zu suchen und immer wieder das eigene Verhalten gegenüber dem Patienten zu hinterfragen, zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Erfahrungsberichte
Ein Mann erzählt, dass ihm im Jugendalter von seinem Zahnarzt verdächtig viele Zähne gezogen wurden. Andere Behandlungsoptionen schienen für den Zahnmediziner keine Option zu sein. Der Betroffene leidet noch heute unter starker Zahnarztangst.
Alexander könnte als klassischer Fall bezeichnet werden. Durch seine Zahnarztangst war er schon jahrelang nicht mehr in einer Praxis. Als er sich dann durchgerungen hat, hatte er das Glück, zu einem Zahnarzt zu kommen, der empathisch auf seine Ängste eingegangen ist und die Behandlung nicht überstürzt hat.
Jana hat bei ihrem Zahnarztbesuch gleich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Zum einen hat sie festgestellt, dass Lachgas seinen Namen nicht der Eigenschaft des Lachens zu verdanken hat. Die beruhigende Wirkung hat sich aber positiv auf die Behandlung ausgewirkt. Und zum anderen ist Jana der festen Überzeugung, dass selbst die besten Methoden wirkungslos sind, wenn der Zahnarzt unsensibel ist.
Bei Max war es sein 50. Geburtstag, der ihn die Entscheidung treffen ließ, nun allen Mut zusammen zu nehmen und einen Zahnarzt aufzusuchen. Belohnt wurde sein Mut nicht, zumindest zunächst nicht. Max musste die Erfahrung machen, dass nicht jede Praxis, die vorgibt, auf Dentalphobie spezialisiert zu sein, das auch wirklich ist. Letztlich fand er aber die Praxis, die mit ihm vorsichtig genug umgehen konnte.
Wenn es ein Vorzeigebeispiel für ein Kindheitstrauma gibt, dann ist Petra sicher die beste Wahl. Sie kannte bis zu ihrem 10. Lebensjahr überhaupt keine Angst vorm Zahnarzt und wurde dann von einem Zahnmediziner so plump behandelt, dass sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr ohne Panik eine Praxis aufsuchen konnte. Sie musste bis zum 40. Lebensjahr warten, bevor sie einen Zahnarzt fand, der einfühlsam mit ihr umging.
Daniel hat erkannt, dass seine Zahnarztangst erheblichen negativen Einfluss auf sein Leben nimmt. Bei ihm war es weniger die Angst als vielmehr die Scham, die ihm das Leben schwergemacht hat. Er traute sich kaum noch unter Leute, weil ihm seine Zähne peinlich waren. Nachdem er sich aufgerafft hatte, zu einem feinfühligen Zahnarzt zu gehen, hat er ein völlig neues Lebensgefühl.
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Nachrichten
Wer Patienten mit Dentalphobie verstehen will, muss sich zunächst von zahlreichen eigenen Einschätzungen und Einstellungen verabschieden. Denn die Wahrnehmung von Menschen mit Zahnarztangst ist eine andere. Wer das weiß, ist einen großen Schritt weiter – und wird die Spritze mit neuen Augen betrachten.
Der Zahnarztbesuch ist immer wieder so ein Thema. Während die eine Personengruppe sich auf den Behandlungsstuhl setzt, als würde sie in einem Kinosessel Platz nehmen, bekommt die andere schon Panik, wenn sie auch nur an den Geruch einer Praxis denkt. Eine russische Künstlerin möchte auf das Thema Zahnhygiene aufmerksam machen und hat dazu sehr eigenwillige Skulpturen entworfen.