Mit Strom gegen die Zahnarztangst?
Strom ohne Schlag
Strom weckt in uns eher neutrale bis negative Stimmungen. Neutrale bzw. positive, weil wir damit Wärme verbinden, wir denken ans Kochen, Licht, Musik. Negative, weil man mit Strom auch foltern kann, sich verletzen kann, sogar daran sterben kann. Da liegt der Gedanken nicht gerade nahe, dass man ausgerechnet mit Strom Zahnarztangst reduzieren können soll. Doch genau das ist der Plan, und er klingt gut.
Good News aus Brasilien
Dentalphobie ist weltweit ein Thema, mal mehr, mal weniger. Aber Menschen mit einer ausgeprägten Angst vor der Zahnarztpraxis gibt es überall. Auch in Brasilien, wo eine Studie erstellt wurde, die sich mit einer Alternative zur Betäubungsspritze beschäftigt hat. Versucht wurde eine neue Methode, um das Betäubungsmittel in den Körper gelangen zu lassen. Statt durch die herkömmliche Injektion mit einer Spritze wurde das Mittel durch schwachen Strom über die menschliche Haut in den Körper gebracht. Diese Methode heißt „Iontophorese“ und wurde von den brasilianischen Forschern zunächst an Schweinen ausprobiert. Durch die Mundschleimhaut wurde das Betäubungsmittel so eingeführt. Die Wirksamkeit war eindrucksvoll, die Betäubung wirkte langanhaltend und schnell.
Gel, Salben und Sprays als zahnloser Tiger
Zahnärzten ist die Problematik der Angst vor Spritzen natürlich bekannt. Deshalb sind sie grundsätzlich offen für alle Maßnahmen, die diese Angst reduzieren können. Vielfach werden vor dem eigentlichen Einstich der Spritze daher Gels, Sprays oder Salben verwendet, die die Schmerzempfindlichkeit schon im Vorfeld reduzieren sollen. Das ist ein hehrer Ansatz, der bei „normalen“ Patienten auch in aller Regel gut funktioniert.
Nur bei Menschen mit Dentalphobie greift diese Maßnahme in den seltensten Fällen. Denn sie leiden nicht unter einer rationalen Angst, der man entsprechend rational begegnen kann. Bei ihnen sitzt die Panik viel tiefer, was zur Folge hat, dass begleitende Maßnahmen wie die angeführten nur sehr selten greifen.
Auf einem guten Weg
„Marktreif“ ist diese neue Methode der Betäubung zwar noch nicht, aber die Wissenschaftler um Professor Renata Fonseca Vianna Lopez von der Universität São Paulo sind gewillt, weiter zu forschen, um das Verfahren nach vorn zu bringen. Inwieweit – sollte es zu einem breiten Einsatz der Iontophorese kommen – diese neue Form der Betäubung Menschen mit Dentalphobie hilft, ist natürlich noch unklar. Man kann davon ausgehen, dass es ganz von der Schwere der Phobie abhängt, ob die Betäubung mittels Strom tatsächlich die gewünschte Wirkung erzielt. Dennoch ist das Forschen auf diesem Gebiet eine wichtige Sache, um den Zahnarztbesuch im Allgemeinen und für Menschen mit Zahnarztangst im Besonderen leichter zu gestalten.
Erfahrungsberichte
Ein Mann erzählt, dass ihm im Jugendalter von seinem Zahnarzt verdächtig viele Zähne gezogen wurden. Andere Behandlungsoptionen schienen für den Zahnmediziner keine Option zu sein. Der Betroffene leidet noch heute unter starker Zahnarztangst.
Alexander könnte als klassischer Fall bezeichnet werden. Durch seine Zahnarztangst war er schon jahrelang nicht mehr in einer Praxis. Als er sich dann durchgerungen hat, hatte er das Glück, zu einem Zahnarzt zu kommen, der empathisch auf seine Ängste eingegangen ist und die Behandlung nicht überstürzt hat.
Jana hat bei ihrem Zahnarztbesuch gleich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Zum einen hat sie festgestellt, dass Lachgas seinen Namen nicht der Eigenschaft des Lachens zu verdanken hat. Die beruhigende Wirkung hat sich aber positiv auf die Behandlung ausgewirkt. Und zum anderen ist Jana der festen Überzeugung, dass selbst die besten Methoden wirkungslos sind, wenn der Zahnarzt unsensibel ist.
Bei Max war es sein 50. Geburtstag, der ihn die Entscheidung treffen ließ, nun allen Mut zusammen zu nehmen und einen Zahnarzt aufzusuchen. Belohnt wurde sein Mut nicht, zumindest zunächst nicht. Max musste die Erfahrung machen, dass nicht jede Praxis, die vorgibt, auf Dentalphobie spezialisiert zu sein, das auch wirklich ist. Letztlich fand er aber die Praxis, die mit ihm vorsichtig genug umgehen konnte.
Wenn es ein Vorzeigebeispiel für ein Kindheitstrauma gibt, dann ist Petra sicher die beste Wahl. Sie kannte bis zu ihrem 10. Lebensjahr überhaupt keine Angst vorm Zahnarzt und wurde dann von einem Zahnmediziner so plump behandelt, dass sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr ohne Panik eine Praxis aufsuchen konnte. Sie musste bis zum 40. Lebensjahr warten, bevor sie einen Zahnarzt fand, der einfühlsam mit ihr umging.
Daniel hat erkannt, dass seine Zahnarztangst erheblichen negativen Einfluss auf sein Leben nimmt. Bei ihm war es weniger die Angst als vielmehr die Scham, die ihm das Leben schwergemacht hat. Er traute sich kaum noch unter Leute, weil ihm seine Zähne peinlich waren. Nachdem er sich aufgerafft hatte, zu einem feinfühligen Zahnarzt zu gehen, hat er ein völlig neues Lebensgefühl.
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Nachrichten
Wer Patienten mit Dentalphobie verstehen will, muss sich zunächst von zahlreichen eigenen Einschätzungen und Einstellungen verabschieden. Denn die Wahrnehmung von Menschen mit Zahnarztangst ist eine andere. Wer das weiß, ist einen großen Schritt weiter – und wird die Spritze mit neuen Augen betrachten.
Der Zahnarztbesuch ist immer wieder so ein Thema. Während die eine Personengruppe sich auf den Behandlungsstuhl setzt, als würde sie in einem Kinosessel Platz nehmen, bekommt die andere schon Panik, wenn sie auch nur an den Geruch einer Praxis denkt. Eine russische Künstlerin möchte auf das Thema Zahnhygiene aufmerksam machen und hat dazu sehr eigenwillige Skulpturen entworfen.