Wenn das Geschäft mit der Angst in Betrug mündet
Hier riecht es aber gut!
Es geht um den Fall eines Zahnarztes aus Hannover, der auf den ersten Blick das Beste war, was Menschen mit Dentalphobie passieren konnte. Seine Praxis glich eher einer Villa als einem Ort für zahntechnische Behandlungen. Außerdem roch es dort nicht wie sonst in Zahnarztpraxen. Zwei durchaus entscheidende Faktoren, denn für Menschen mit Zahnarztangst beginnt der Stress schon mit dem typischen Geruch der Praxis. Da werden Assoziationen geweckt, die die Angst verstärken.
Der Zahnarzt in Hannover machte auf seine Patienten einen sehr professionellen Eindruck, zudem beruhigte das Ambiente der Praxis sie. „Hier riecht es aber gut“, sagte ein Angstpatient und fühlte sich bestens aufgehoben. Ein Irrtum, wie sich später zeigte.
Gravierende Vorwürfe
Vor Gericht musste sich der Zahnarzt später wegen gewerbsmäßigem Betrugs verantworten. Finanziell belief sich der Schaden auf geschätzte 120.000 Euro, doch viel schlimmer wiegt das Gefühl, in seinem Vertrauen ausgenutzt worden zu sein, so schilderten es Patienten. Ein Einzelfall ist der Zahnarzt aus Hannover nicht, Betrug bei Abrechnungen betrifft Allgemeinmediziner wie Zahnärzte gleichermaßen.
Fokus Dentalphobie
Offiziell waren es „nur“ 36 Fälle, in denen ein Betrug vorlag oder der Plan bestand, Leistungen abzurechnen, die faktisch nicht vom Zahnarzt erbracht wurden. Doch da er sich ganz besonders „liebevoll“ um Angstpatienten gekümmert hat, ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer weit höher liegt. Menschen mit Dentalphobie gehen lange Zeit nicht zum Zahnarzt und nehmen, wenn sie sich endlich überwunden haben, Leistungen in Anspruch, die von den gesetzlichen Krankenkassen in aller Regel nicht abgedeckt sind. Anders ausgedrückt: Man kann davon ausgehen, dass der Zahnarzt zahlreiche Leistungen privat angerechnet hat, die den Weg bis zum Richterpult gar nicht gefunden haben. Denn die meisten Angstpatienten haben nur wenig Selbstvertrauen und sind daher nicht in der psychischen Verfassung, auf ihre Rechte zu pochen. Genau das scheint der angeklagte Zahnarzt ausgenutzt zu haben.
Eine große Zielgruppe fürs „Geschäft“
Laut Bundeszahnärztekammer leiden bis zu 15 Prozent der Deutschen unter Dentalphobie. Das ist eine durchaus große Personengruppe, der man tief ins Portemonnaie greifen kann. Und genau das tat der Zahnarzt offenbar auch. Besonders gern stellte er den Einsatz eines 3D-Roboters in Rechnung, der angeblich besonders scharfe Bilder erlaubte und so die Behandlung angenehmer gestalten half. Kostenpunkt pro Einsatz: 2.000 Euro, privat zu bezahlen.
Nun ergab aber eine Razzia der Praxis, dass besagter 3D-Roboter schon seit Jahren überhaupt nicht benutzt wurde. Die Angstpatienten zahlten also für eine Leistung, die faktisch nie stattgefunden hatte.
Unnötig zu erwähnen, dass der Zahnarzt alle Anschuldigungen abstritt.
Nicht all über einen Kamm scheren
Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Zahnärzte dieses „Kalibers“ sind selten, die große Mehrheit der Zahnmediziner macht einen guten Job, und Unzählige sind besonders im Umgang mit Angstpatienten wahre Künstler und Psychologen in einer Person.
Wachsam sollte man jedoch immer sein, wenn man sich für einen Zahnarzt entscheidet, den man noch nicht kennt. Ein guter Zahnarzt behandelt meist beim ersten Besuch überhaupt nicht, es geht zunächst nur um das Vorgespräch. Und auch später spricht der Zahnarzt mit seinem Patienten über jeden einzelnen Schritt. Das mag zwar noch keine Garantie dafür sein, dass kein Betrug vorliegt. Es ist aber zumindest ein beruhigendes Indiz.
Erfahrungsberichte
Ein Mann erzählt, dass ihm im Jugendalter von seinem Zahnarzt verdächtig viele Zähne gezogen wurden. Andere Behandlungsoptionen schienen für den Zahnmediziner keine Option zu sein. Der Betroffene leidet noch heute unter starker Zahnarztangst.
Alexander könnte als klassischer Fall bezeichnet werden. Durch seine Zahnarztangst war er schon jahrelang nicht mehr in einer Praxis. Als er sich dann durchgerungen hat, hatte er das Glück, zu einem Zahnarzt zu kommen, der empathisch auf seine Ängste eingegangen ist und die Behandlung nicht überstürzt hat.
Jana hat bei ihrem Zahnarztbesuch gleich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Zum einen hat sie festgestellt, dass Lachgas seinen Namen nicht der Eigenschaft des Lachens zu verdanken hat. Die beruhigende Wirkung hat sich aber positiv auf die Behandlung ausgewirkt. Und zum anderen ist Jana der festen Überzeugung, dass selbst die besten Methoden wirkungslos sind, wenn der Zahnarzt unsensibel ist.
Bei Max war es sein 50. Geburtstag, der ihn die Entscheidung treffen ließ, nun allen Mut zusammen zu nehmen und einen Zahnarzt aufzusuchen. Belohnt wurde sein Mut nicht, zumindest zunächst nicht. Max musste die Erfahrung machen, dass nicht jede Praxis, die vorgibt, auf Dentalphobie spezialisiert zu sein, das auch wirklich ist. Letztlich fand er aber die Praxis, die mit ihm vorsichtig genug umgehen konnte.
Wenn es ein Vorzeigebeispiel für ein Kindheitstrauma gibt, dann ist Petra sicher die beste Wahl. Sie kannte bis zu ihrem 10. Lebensjahr überhaupt keine Angst vorm Zahnarzt und wurde dann von einem Zahnmediziner so plump behandelt, dass sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr ohne Panik eine Praxis aufsuchen konnte. Sie musste bis zum 40. Lebensjahr warten, bevor sie einen Zahnarzt fand, der einfühlsam mit ihr umging.
Daniel hat erkannt, dass seine Zahnarztangst erheblichen negativen Einfluss auf sein Leben nimmt. Bei ihm war es weniger die Angst als vielmehr die Scham, die ihm das Leben schwergemacht hat. Er traute sich kaum noch unter Leute, weil ihm seine Zähne peinlich waren. Nachdem er sich aufgerafft hatte, zu einem feinfühligen Zahnarzt zu gehen, hat er ein völlig neues Lebensgefühl.
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Nachrichten
Wer Patienten mit Dentalphobie verstehen will, muss sich zunächst von zahlreichen eigenen Einschätzungen und Einstellungen verabschieden. Denn die Wahrnehmung von Menschen mit Zahnarztangst ist eine andere. Wer das weiß, ist einen großen Schritt weiter – und wird die Spritze mit neuen Augen betrachten.
Der Zahnarztbesuch ist immer wieder so ein Thema. Während die eine Personengruppe sich auf den Behandlungsstuhl setzt, als würde sie in einem Kinosessel Platz nehmen, bekommt die andere schon Panik, wenn sie auch nur an den Geruch einer Praxis denkt. Eine russische Künstlerin möchte auf das Thema Zahnhygiene aufmerksam machen und hat dazu sehr eigenwillige Skulpturen entworfen.