Zahnarztangst: Verhaltenstherapie versus Gene

Wohl niemand geht gern zum Zahnarzt. Wer die Wahl hat, wird im Zweifel wohl eher einen Großputz oder den Einkauf vor einem Brückentag wählen. Alles scheint besser als der Besuch in der Zahnarztpraxis. Doch woher kommen diese Ängste, die eine nicht unwesentliche Zahl von Menschen betreffen? Kann man überhaupt etwas dagegen tun?
Man kann. Sagen die einen.
Es ist kompliziert. Meinen die anderen.
Was ist das eigentlich, eine Verhaltenstherapie?
Bevor wir darüber sprechen, ob und was eine kognitive Verhaltenstherapie bewirken kann, ist eine kurze Definition sinnvoll.
Entwickelt wurde die kognitive Verhaltenstherapie in den 1960er Jahren. Sie stellte einen Gegenentwurf zur sogenannten behavioristischen Psychologie dar. Mit dem Zusatz „kognitiv“ sind Gedanken, Einstellungen, Überzeugungen und Bewertungen beim Menschen gemeint. Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass die Art und Weise unseres Denkens die Gefühlslage bestimmt. Der Ansatz der Verhaltenstherapie ist daher die Bewusstmachung von Kognitionen, um so auf das eigene Leben Einfluss nehmen zu können. Es geht, so könnte man es zusammenfassend sagen, um die aktive Gestaltung der eigenen Empfindungen, also auch um den Umgang mit Angst, Zahnarztangst.
Studie 1: Wundersame Verbesserungen durch Verhaltenstherapie?
Das „British Dental Journal“ hat eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Dentalphobie befasst. Bei insgesamt 130 Testpersonen (31 Männer, 99 Frauen) wurde die Verhaltenstherapie angewendet, um sich der Thematik der Zahnarztangst zu nähern. Schon vorher wurden ähnliche Versuche bei Patienten mit Depressionen und anderen Angststörungen gemacht. Mit Erfolg, wie es heißt.
Nun stand die Frage im Raum, ob die Verhaltenstherapie auch bei Menschen mit Dentalphobie Besserung erzielen kann. Laut der Studie waren durchschnittlich nur fünf Sitzungen nötig, um spürbare Verbesserungen zu erreichen. Immerhin gaben 79 Prozent der Befragten an, die Zahnbehandlung nach der Therapie ohne Sedierung zu überstehen. Ein recht klares Ergebnis.
Studie 2: Die Gene sind schuld?
Anders näherte sich dem Thema ein Team der West Virginia University. Die US-Amerikaner Daniel McNeil und Cameron Randall fanden heraus, dass offenbar auch die Gene bei der Entstehung von Zahnarztangst eine Rolle spielen. Durch Vererbung – also durch die Gene – werde Dentalphobie von den Eltern auf die Kinder übertragen. Anders als bei der oben genannten Studie nahmen an der der West Virginia University deutlich mehr Versuchspersonen teil. Insgesamt 1.370 Patienten zwischen 11 und 74 Jahren waren dabei.
Wichtig ist diese Studie allemal, um besser verstehen zu lernen, wie Angstpatienten „ticken“. Das Ziel sind Verbesserungen im Umgang mit Menschen, die unter Dentalphobie leiden.
Es tut sich etwas
Für Menschen mit Dentalphobie ist es letztlich egal, wie man ihnen hilft. Wenn eine Verhaltenstherapie hilft – gut. Wenn andere sanften Methoden greifen – auch gut. Entscheidend ist am Ende des Tages die Tatsache, dass sich Medizin, Wissenschaft und Forschung mit der Thematik intensiv beschäftigen. Das ist durchaus bemerkenswert, denn in den 1970er oder auch 1980er Jahren nahm kaum jemand Angstpatienten wirklich ernst. Sie wurden eher in die Ecke der „Weicheier“ gestellt, die sich doch „bitte nicht so anstellen“ sollten.
Das ist heute erfreulicherweise anders. Die so zahlreichen unterschiedlichen Ansätze zeigen, dass Dentalphobie „angekommen“ ist, dass betroffene Menschen ernst genommen werden und dass nach Möglichkeiten gesucht wird, das Leid zu verringern.
Das ist eine wirklich gute Nachricht.
Erfahrungsberichte
Ein Mann erzählt, dass ihm im Jugendalter von seinem Zahnarzt verdächtig viele Zähne gezogen wurden. Andere Behandlungsoptionen schienen für den Zahnmediziner keine Option zu sein. Der Betroffene leidet noch heute unter starker Zahnarztangst.
Alexander könnte als klassischer Fall bezeichnet werden. Durch seine Zahnarztangst war er schon jahrelang nicht mehr in einer Praxis. Als er sich dann durchgerungen hat, hatte er das Glück, zu einem Zahnarzt zu kommen, der empathisch auf seine Ängste eingegangen ist und die Behandlung nicht überstürzt hat.
Jana hat bei ihrem Zahnarztbesuch gleich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Zum einen hat sie festgestellt, dass Lachgas seinen Namen nicht der Eigenschaft des Lachens zu verdanken hat. Die beruhigende Wirkung hat sich aber positiv auf die Behandlung ausgewirkt. Und zum anderen ist Jana der festen Überzeugung, dass selbst die besten Methoden wirkungslos sind, wenn der Zahnarzt unsensibel ist.
Bei Max war es sein 50. Geburtstag, der ihn die Entscheidung treffen ließ, nun allen Mut zusammen zu nehmen und einen Zahnarzt aufzusuchen. Belohnt wurde sein Mut nicht, zumindest zunächst nicht. Max musste die Erfahrung machen, dass nicht jede Praxis, die vorgibt, auf Dentalphobie spezialisiert zu sein, das auch wirklich ist. Letztlich fand er aber die Praxis, die mit ihm vorsichtig genug umgehen konnte.
Wenn es ein Vorzeigebeispiel für ein Kindheitstrauma gibt, dann ist Petra sicher die beste Wahl. Sie kannte bis zu ihrem 10. Lebensjahr überhaupt keine Angst vorm Zahnarzt und wurde dann von einem Zahnmediziner so plump behandelt, dass sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr ohne Panik eine Praxis aufsuchen konnte. Sie musste bis zum 40. Lebensjahr warten, bevor sie einen Zahnarzt fand, der einfühlsam mit ihr umging.
Daniel hat erkannt, dass seine Zahnarztangst erheblichen negativen Einfluss auf sein Leben nimmt. Bei ihm war es weniger die Angst als vielmehr die Scham, die ihm das Leben schwergemacht hat. Er traute sich kaum noch unter Leute, weil ihm seine Zähne peinlich waren. Nachdem er sich aufgerafft hatte, zu einem feinfühligen Zahnarzt zu gehen, hat er ein völlig neues Lebensgefühl.
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Nachrichten
Wer Patienten mit Dentalphobie verstehen will, muss sich zunächst von zahlreichen eigenen Einschätzungen und Einstellungen verabschieden. Denn die Wahrnehmung von Menschen mit Zahnarztangst ist eine andere. Wer das weiß, ist einen großen Schritt weiter – und wird die Spritze mit neuen Augen betrachten.
Der Zahnarztbesuch ist immer wieder so ein Thema. Während die eine Personengruppe sich auf den Behandlungsstuhl setzt, als würde sie in einem Kinosessel Platz nehmen, bekommt die andere schon Panik, wenn sie auch nur an den Geruch einer Praxis denkt. Eine russische Künstlerin möchte auf das Thema Zahnhygiene aufmerksam machen und hat dazu sehr eigenwillige Skulpturen entworfen.